Vorfrage und Bindungskonflikt im Ermittlungsverfahren




Eingangs muss erwähnt werden, dass die Aufteilung der Zuständigkeit zur Vollziehung von Gesetzen auf verschiedene Organe, also Gerichtsbarkeit und Verwaltung bzw. einige Verwaltungsbehörden, hat für die Verfahrensdurchführung einige Auswirkungen zur Folge, die einer schnellen Entscheidung wiederum entgegenstehen können. Um ein bestimmtes Vorhaben verwirklichen zu können, ist üblicherweise die Einholung mehrerer Bewilligungen notwendig, wobei wiederum mehrere Verwaltungsverfahren zu deren Erlangung durchgeführt werden müssen, die in der Regel rechtlich nichts miteinander zu tun haben. In solch einen Fall haben aber die jeweiligen Ergebnisse der Verfahren rechtlich aufeinander keinen Einfluss. Darunter ist beispielsweise etwa zu verstehen, dass der Ausgang des Bauverfahrens rechtlich keinen Einfluss auf das gewerberechtliche oder auf das naturschutzrechtliche Verfahren hat. Dennoch hat der Ausgang eines Verfahren für die weiteren Verfahren eine gewisse Bedeutung, weil wenn einer der Bewilligungen endgültig versagt wird, eher keinen Sinn macht, für das Vorhaben noch sonstige Bewilligungen einzuholen. Das bedeutet nämlich, dass wenn eine einzige Bewilligung nicht erteilt werden sollte, alle übrigen Bewilligungen auch nichts nutzen, da das Verfahren in solch einen Fall nämlich nicht zulässig ist.

In diesem Zusammenhang muss jedoch beachtet werden, dass der Entscheidungsinhalt einer Verwaltungsbehörde rechtlich durch den Inhalt einer Entscheidung, für die eine andere Behörde, wie etwa Gericht oder Verwaltungsbehörde, zuständig ist oder die in einem anderen Verfahren zu treffen wäre, bedingt sein kann. Als Beispiel wäre etwa zu nennen, dass im Bauverfahren über das Ansuchen einer Person beispielsweise eine solche Situation aus einem Streit über Eigentumsverhältnisse entstehen könnte. Während der Bauverhandlung könnte etwa ein Nachbar behaupten, dass die Angaben der betreffenden Person über den Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken falsch sind und dass das Grundstück des Nachbarn somit größer sei, da die Grenze zwischen den beiden Grundstücken viel näher an dem Platz verläuft, auf dem das Gebäude errichtet werden soll. Daher wäre beispielsweise etwa ein Bau an der vorgesehenen Stelle nicht erlaubt, weil die im Gesetz festgelegten Abstände des Bauwerks von der Grundgrenze nicht eingehalten werden. In solch einen Fall ist nämlich die Entscheidung der Baubehörde rechtlich durch die Klärung der Frage, in wessen Eigentum der fragliche Grundstreifen steht, bedingt. Es muss beachtet werden, dass ein Gericht zur Entscheidung dieser Frage zuständig ist. Es ist ebenso erwähnenswert, dass solche Fragen als Vorfragen bezeichnet werden.

Aus dem Gesagten kann somit entnommen werden, dass eine Behörde einen Akt mit einem bestimmten Inhalt nur dann erlassen darf, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen, auf deren Vorliegen jedoch nicht die betreffende Behörde sondern eine andere Behörde Einfluss hat, im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegeben sind. Als Beispiel dazu wäre zu nennen, dass eine Bezirksverwaltungsbehörde oder eine Bundespolizeidirektion einen Reisepass nur an österreichische Staatsangehörige ausstellen darf. In solch einen Fall hat die Behörde den Nachweis zu verlangen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und darf nur dann positiv entscheiden, wenn dieser auch erbracht wird. Diese Behörden sind jedoch nicht befugt, die Staatsbürgerschaft zu verleihen oder einen Feststellungsbescheid über das Bestehen der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlassen.

In diesem Zusammenhang muss man sich ebenso die Frage stellen, wie Vorfragen eigentlich zu behandeln sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Behörden ermächtigt sind, Vorfragen selbst zu beurteilen und diese Beurteilung sodann ihrer Entscheidung zugrundezulegen, sofern das in Betracht kommende Gesetz nicht etwa anderes festlegt. Unter Beurteilung einer Vorfrage ist zu verstehen, dass die Behörde sich eine Meinung darüber bildet, wie die Frage, die für sie eine Vorfrage ist, zu entscheiden wäre. Außerdem hat das Ergebnis der Vorfragenbeurteilung nur für das Verfahren Bedeutung, in dem die Vorfrage aufgetreten ist. Es muss beachtet werden, dass die Behörde das Verfahren, in dem die Vorfrage aufgetreten ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch jene Behörde aussetzen kann, die für die betreffende Angelegenheit zuständig ist. Die Behörde hat aber nur dann die Möglichkeit das Verfahren auszusetzen, wenn die betreffende Frage bereits Gegenstand eines Verfahrens bei der zuständigen Behörde ist oder wenn gleichzeitig mit der Aussetzung ein Verfahren bei der zuständigen Behörde anhängig gemacht wird.

Außerdem kann die Behörde, die sich die Vorfrage stellt, auch dann selbst die Vorfragenbeurteilung vornehmen, wenn bei der Behörde, die über diese Frage als Hauptfrage zu entscheiden hat, ein einschlägiges Verfahren bereits anhängig ist. Es liegt jedoch im Ermessen der betreffenden Behörde, ob sie dann das Verfahren aussetzt oder ob sie die Vorfragenbeurteilung vornimmt. Die Parteien wiederum haben aber keinen Anspruch auf eine Unterbrechung des Verfahrens. Es ist erwähnenswert, dass die Aussetzung des Verfahrens in Form eines verfahrensrechtlichen Bescheides erfolgt. Dagegen kann die Partei eine Berufung erheben, wenn sie der Meinung ist, dass das Verfahren zu Unrecht ausgesetzt worden ist. Als Beispiel wäre etwa zu nennen, dass eine Baubehörde beispielsweise etwa die Beurteilung der Frage, wo die Grundgrenze verläuft, grundsätzlich selbst vorzunehmen hat. Falls aber bereits ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der Eigentumsverhältnisse anhängig ist, wird die Baubehörde das Verfahren aussetzen können. Dennoch wäre sie aber auch in diesem Fall ermächtigt, die Frage des Grenzverlaufes selbst zu beurteilen.

Außerdem ist der Inhalt der Vorfragenbeurteilung im Bescheid darzulegen, der das betreffende Verfahren abschließt, und zwar in der Begründung. Es muss beachtet werden, dass eine Vorfragenbeurteilung in der Berufung gegen den Bescheid, bekämpft werden kann. Hierbei kann geltend gemacht werden, dass der Spruch rechtswidrig ist, weil die Vorfrage unrichtig beurteilt worden ist. Wenn ein Bescheid, der auf einer Vorfragenbeurteilung beruht, rechtskräftig geworden ist und über die Frage, die Vorfrage gewesen ist, von der zuständigen Behörde als Hauptfrage anders entschieden wird, ist ein Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben. Als Beispiel wäre etwa zu nennen, dass wenn das Gericht in seinem Urteil im Streit über die Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück zu einer anderen Ansicht kommt als die Verwaltungsbehörde bei der Vorfragenbeurteilung, das Bauverfahren somit wieder aufgenommen werden könnte.

Wesentlich ist auch der Bindungskonflikt. Ein Bindungskonflikt ist etwa dann gegeben, wenn eine Behörde sich weigert, einen rechtskräftigen Akt einer anderen Behörde als für ihre Entscheidung verbindlich anzuerkennen. Dies liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Gericht eine Eigentumsbeschränkung, die durch Bescheid verfügt wurde, nicht als für seine Entscheidung maßgeblich ansehen will.

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