Gleichheitssatz und Gesetzgebung




Ob der Gleichheitssatz einst auch die Gesetzgebungsorgane, also Nationalrat bzw. Bundesrat und die Landtage, bindet, ist heute unrelevant, da heute der Gleichheitssatz die verfassungsgesetzliche Schranke an den einfachen Gesetzgeber ist. Der Verfassungsgerichtshof wendet ihn in seiner Grundrechtsjudikatur am meisten an. Das Gleichheitsgebot hat sich in den letzten Jahrzehnten dynamisch weiter entwickelt.

Verbot der unsachlichen Differenzierung

Darunter ist zu verstehen, dass jede Person gleich zu behandeln ist, sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen. Jede Differenzierung muss aus tatsächlichen Unterschieden abgeleitet werden. Differenzierungen nach Geburt, Geschlecht, Klasse, Bekenntnis usw. werden als gleichheitswidrig angesehen, entsprechende Ausnahmen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung; bei ehelich und unehelich geborenen Kindern findet man immer wieder Differenzierungen.

Ein Gesetz darf nur dann rechtliche Differenzierungen von gleichen Tatsachen vornehmen, wenn sie sachlich gerechtfertigt werden können. Das setzt voraus, dass es zwei Gesetze mit unterschiedlichen Folgen gibt. Die Unterschiede sind gegenüber zu stellen und abzuwägen, ob sie sachlich gerechtfertigt werden können. Geringfügige Unterschiede sind aber zu vernachlässigen. Der Verfassungsgerichtshof ist jedenfalls von seiner sogenannten Exzess-Judikatur weggegangen; es werden auch geringe Verstöße und nicht nur grobe Exzesse als verfassungswidrig aufgehoben. Auch zögert der Gerichtshof heute nicht mehr, bewusst politische Entscheidungen des Gesetzgebers als unsachlich aufzuheben. Der Gleichheitssatz verbietet aber nicht nur Gleiches ungleich zu behandeln, sondern auch Ungleiches gleich. Wesentliche reelle Unterschiede müssen zu einer unterschiedlichen Regelung führen.

Es ist natürlich so, dass der Gesetzgeber nicht auf jeden erdenklichen Fall Rücksicht nehmen kann. Dies hat auch der Verfassungsgerichtshof eingesehen. Es genügt, wenn der Gesetzgeber auf den Regelfall abstellt, Härtefälle können unberücksichtigt bleiben. Auch finanzielle Überlegungen oder die Vereinfachung eines Verfahrens können ein Gesetz sachlich rechtfertigen. Aber es muss auf ein angemessenes Verhältnis zwischen beiden Seiten Bedacht genommen werden. Verschiedene Verwaltungsverfahren können auch verschiedene Regelungen vorsehen; so muss ein sozialversicherungsrechtliches Verfahren nicht einem Gewerbeverfahren gleich sein. Eines ist jedoch jedem Verwaltungsverfahren immanent, und zwar dass das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes in jedem Verfahren die Zuerkennung von subjektiven Rechten erfordert; also in irgendeiner Weise Parteirechte, auch wenn sie beschränkt werden können.

Neuerdings hat sich ein Vertrauensschutz der Bürger gestützt auf den Gleichheitssatz entwickelt. So werden an rückwirkende belastende Gesetze sehr strenge Anforderungen gestellt. Im Strafrecht ist eine rückwirkende Bestrafung, das heißt, ein neues Gesetz straft eine Tat in der Vergangenheit, ausdrücklich unzulässig. Auch sind in die Zukunft wirkende Beschränkungen wohlerworbener Rechte, wie beispielsweise etwa Pensionen, unzulässig, sofern es sich um schwerwiegende und plötzliche Eingriffe handelt. Einen Schutz der momentanen rechtlichen Lage gibt es aber nicht. Meistens wird eine Änderung durch Übergangslösungen eingeleitet. Fälle, welche nicht sachlich gerechtfertigt sind, gibt es leider sehr viele. Ein Problem sollte von einem Verfassungsjuristen beurteilt werden, ob rechtliche Schritte möglich sind.

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