Wesen und Funktion der Nichtigkeitsklage und Wiederaufnahmsklage




Eingangs muss erwähnt werden, dass weder die Nichtigkeitsklage noch die Wiederaufnahmsklage Rechtsmittel im eigentlichen Sinn sind, da ihnen die typischen Rechtsmittelwirkungen fehlen. Denn die Nichtigkeitsklage hat nie eine aufschiebende Wirkung und die Wiederaufnahmsklage hat wiederum nur dann eine aufschiebende Wirkung, wenn als Folge ihrer Erhebung das Rechtsmittelverfahren unterbrochen wird. Außerdem führen diese Klagen auch nicht zu einer amtswegigen Aufschiebung oder Einstellung einer schon eingeleiteten Exekution zur Durchsetzung der im Vorprozess ergangenen Entscheidung. Dennoch kann mit beiden Klagen der Antrag auf Aufschiebung der Exekution verbunden werden.

Es ist ebenso erwähnenswert, dass Nichtigkeitsklagen und Wiederaufnahmsklagen trotzdem häufig als Rechtsmittelklagen bezeichnet werden, da sie die Funktion eines Rechtsmittels und die einer Klage miteinander vereinen. Es muss beachtet werden, dass es aufgrund der Nichtigkeitsklage und Wiederaufnahmsklage zu einem zweiten Verfahren kommt, das unabhängig vom ersten Verfahren durchgeführt wird und mit einem neuen Urteil endet, das wiederum über die Aufhebung oder Nichtaufhebung der angefochtenen Entscheidung abspricht.

Es ist erwähnenswert, dass mit Nichtigkeitsklagen und Wiederaufnahmsklagen alle Arten von Urteilen und Beschlüssen, die die Sache erledigen, bekämpft werden können. Eine Nichtigkeitsklage oder Wiederaufnahmsklage können nur jene Personen erheben, die im Vorprozess Partei waren sowie auch ihre Rechtsnachfolger, wenn sie von der Rechtskraft der Entscheidung des Vorprozesses erfasst sind. Personen, die im Vorprozess als Nebenintervenienten beteiligt waren, können ebenso Nichtigkeitsklage oder Wiederaufnahmsklage einbringen, wobei aber die Hauptpartei im Falle des einfachen Nebenintervenienten die Rechtsmittelklage zurücknehmen kann. Der einfache Streitgenosse ist wiederum dann klagslegitimiert, wenn ihn die Entscheidung des Vorprozesses berechtigt oder verpflichtet, während bei der einheitlichen Streitpartei alle Streitgenossen klagslegitimiert sind.

Außerdem sind sowohl Nichtigkeitsklagen als auch Wiederaufnahmsklagen innerhalb von vier Wochen einzubringen, gerechnet von dem Tag, an welchem die Partei von dem Ausschließungsgrund Kenntnis erhalten hat bzw. von dem Tag, an welchem die Entscheidung der Partei oder seinen gesetzlichen Vertreter zugestellt wurde bzw. von dem Tag, an welchen das strafgerichtliche Urteil oder der Beschluss, der die Einstellung eines strafgerichtlichen Verfahrens ausspricht in Rechtskraft erwachsen ist bzw. von dem Tag, an welchem die Partei imstande war, die rechtskräftige Entscheidung zu benützen oder die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Nach Ablauf von zehn Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung kann die Nichtigkeitsklage oder Wiederaufnahmsklage nicht mehr erhoben werden, außer wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht vertreten war oder falls sie einen gesetzlichen Vertreter gebraucht hat aber nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Prozessführung nicht nachträglich ordnungsmäßig genehmigt wurde.

Es muss beachtet werden, dass die Nichtigkeitsklage auf die Aufhebung einer rechtskräftigen die Sache erledigenden Entscheidung wegen Vorliegens eines Nichtigkeitsgrundes gerichtet ist und allenfalls sogar auf die Erlassung einer neuen Entscheidung der Sache. Als Nichtigkeitsgründe können hierbei entweder die Ausgeschlossenheit des Richters oder besonders schwerwiegende Verstöße gegen das rechtliche Gehör geltend gemacht werden. Die Nichtigkeitsklage kann mit Beschluss zurückgewiesen werden, wenn schon im Vorprüfungsverfahren hervorkommt, dass die Klage nicht auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt oder nicht in der gesetzlichen Frist erhoben bzw. unzulässig ist. Ansonsten ist über die Nichtigerklärung des Verfahrens durch Urteil zu entscheiden. Das Urteil kann entweder die Klage abweisen, sofern der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht vorlag, oder die angefochtene Entscheidung und das zugrundeliegende Verfahren als nichtig aufheben, wenn die Nichtigkeitsklage begründet ist. Sollte eine Erneuerung des ursprünglichen Rechtsstreits in Frage kommen, muss über das ursprüngliche Klagebegehren neuerlich verhandelt und entschieden werden.

Die Wiederaufnahmsklage wiederum bezweckt die Aufhebung einer die Sache erledigenden Entscheidung wegen eines schwerwiegenden Fehlers bei der Gewinnung der Entscheidungsgrundlagen und ihre Ersetzung durch eine fehlerfreie Entscheidung. Als Wiederaufnahmsgründe kommen strafrechtliche Wiederaufnahmsgründe, Außerachtlassung oder Änderung einer identischen oder präjudiziellen Entscheidung sowie die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Entscheidungsgrundlage der Vorentscheidung in Betracht. Es muss beachtet werden, dass die Wiederaufnahmsklage mit Beschluss zurückgewiesen wird, wenn sich im Vorprüfungsverfahren herausstellt, dass die Klage auf keinen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt ist oder nicht in der gesetzlichen Frist erhoben wird bzw. wegen eines sonstigen Prozessvoraussetzungsmangels unzulässig ist.

Außerdem wird die Wiederaufnahmsklage dann abgewiesen, wenn der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund nicht vorliegt oder wenn der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund nicht geeignet ist, eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen. Sollte der Wiederaufnahmsgrund wiederum gegeben sein, wird in einem selbständigen Urteil darüber entschieden. Erst nach Rechtskraft dieses Urteils kann der Vorprozess neu durchgeführt und in der Hauptsache des Vorprozesses neu entschieden werden. In Ausnahmefälle kann das Urteil teilweise bezüglich der Wiederaufnahme stattgegeben und teilweise in der Hauptsache abweisend ausfallen.

Der Unterschied zwischen Wiederaufnahmsklage und Nichtigkeitsklage besteht darin, dass die Wiederaufnahmsklage schon vor Rechtskraft der Entscheidung erhoben werden kann, und zwar nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bzw. wenn in zweiter Instanz das Neuerungsverbot nicht gilt, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz. Denn anders als die Nichtigkeitsgründe sind die Wiederaufnahmsgründe von der Geltendmachung im Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen. Im Unterschied von der mit Nichtigkeitsklage bekämpften Entscheidung ist die mit Wiederaufnahmsklage bekämpfte Entscheidung grundsätzlich zulässigerweise, das heißt ohne dass irgendwelche Verfahrensmängel vorlagen, ergangen.

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