Merkmale der Europäischen Aktiengesellschaft




Mit der Vorordnung des Rates der Europäischen Union vom 08.Oktober 2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft wurde die Möglichkeit zur Gründung einer Europäischen Gesellschaft geschaffen, welche auch Societas Europea genannt, und SE abgekürzt wird. In Österreich wurde diese Regelung durch das Societas Europea Gesetz, welches seit dem 08. Oktober 2004 in Kraft ist, ergänzt.

Nachrangig zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, welche nur eine Teilregelung beinhalten und dem Societas Europea Gesetz gilt die Satzung der Societas Europea sowie das nationale Aktienrecht. Das Wesen der Societas Europa ist jenes einer Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, deren Kapital in Aktien zerlegt ist, und stellt eine supranationale, also eine das nationale Recht ergänzende Gesellschaftsform dar. Das Ziel der Regelung war die Erleichterung von grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen in der Europäischen Gemeinschaft. In erster Linie ist die Societas Europa für solche Zusammenschlüsse oder für Unternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten beziehungsweise Tochterunternehmen oder Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten gedacht.

Eine „Societas Europea” kann nach den Verordnungen in verschiedenen Fällen gegründet werden. Eine ist die Verschmelzung von zwei oder sogar mehreren Aktiengesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und der Sitz und die Hauptverwaltung in der Europäischen Gemeinschaft liegen, sofern mindestens zwei von diesen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Eine Aktiengesellschaft und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, welche nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und der Sitz und die Hauptverwaltung in der Europäischen Gemeinschaft liegen, können die Gründung einer Holding-Societas-Europea durch die Einbringung der Aktienbeziehungsweise der Geschäftsanteile durch die Gesellschafter durchführen. Dies ist dann möglich wenn mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder im Zeitpunkt der Gründung seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder auch eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben.

Eine Tochter-Societas-Europea können Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts gründen, mit Ausnahme solcher Gesellschaften, die keinen Erwerbszweck verfolgen. Eine nationale AG kann unter ähnlichen Bedingungen in eine Societas Europea umgewandelt werden, wenn diese seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat. Auch kann eine Societas Europea selbst eine Tochtergesellschaft in Form einer Societas Europea gründen, und in einem solchen Fall ist das Mehrstaatlichkeitserfordernis aber nicht mehr notwendig.

Im Einzelnen ist der Gründungsvorgang entsprechend der gegebenen Gründungsvariante in den Verordnungen der Societas Europea geregelt, und die Mitglieder der Gründung müssen den Gründungsvertrag mit gewissen Mindestinhalten füllen. Diese sind etwa die Firma, der Sitz und Gegenstand des Unternehmens, der Namen der Gründer, die Höhe des Grundkapitals mit der Angabe, ob es in Nennbetragsaktien oder Stückbetragsaktien zerlegt ist, die auszugebenden Aktientypen – also Inhaber oder Namensaktien, die Form der Gesellschaftsveröffentlichungen, die zustimmungsbedürftigen Geschäfte und Maßnahmen, das Modell der Innenorganisation – also monistisch oder dualistisch, die Zahl der Mitglieder vom Vorstand oder vom Verwaltungsrat, sowie die Sacheinlagen und Sachübernahmen.

Nach den aktienrechtlichen Vorschriften erfolgt sodann die Eintragung ins Firmenbuch, und die Eintragung und Löschung einer Societas Europea wird des weiteren auch im Amtsblatt der Europäischen Union bekanntgemacht. Außerdem entsteht die Societas Europea als juristische Person erst mit der Eintragung im Firmenbuch. Für rechtliche Handlungen im Namen der Societas Europea, welche vor der Eintragung durchgeführt werden, haften die jeweiligen handelnden Personen unter dem Vorbehalt anderer Vereinbarungen unbeschränkt und als Gesamtschuldner. Dies gilt aber nur dann, wenn die Societas Europea nach ihrer Eintragung ins Firmenbuch die sich aus diesen Vorhandlungen ergebenden Verbindlichkeiten nicht übernimmt.

In der Europäischen Gemeinschaft muss der Sitz einer Societas Europea liegen, und zwar in jenem Mitgliedstaat, in welchem sich die Hauptverwaltung befindet. Das Gesetz sieht die Möglichkeit einer Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat vor. Verpflichtend muss der Firmenname einer Societas Europea den Zusatz SE beinhalten. Das Mindestkapital einer Societas Europea beträgt Euro 120.000,-, doch sehen bestimmte nationale Gesetze für bestimmte Tätigkeiten höhere Kapitalerfordernisse vor, so gelten diese auch für die Societas Europea. Für das Kapital, die Kapitalerhaltung, die Kapitaländerung, die Aktien, die Schuldverschreibungen und für ähnliches gelten die jeweiligen nationalen Regelungen der Aktiengesellschaft dieses Mitgliedstaates.

Das wichtigste Organ der Societas Europea ist die Hauptversammlung der Aktionäre. Die Regelungen der Verordnung der Societas Europea verweist in vielen Bereichen hierbei auf das nationale Aktienrecht, weshalb beispielsweise auch für Beschlussfassungen grundsätzlich Mehrheitserfordernisse nach dem Aktiengesetz notwendig sind. Weiters sind entweder ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan, also Vorstand und Aufsichtsrat beim dualistischen System, oder ein Verwaltungsorgan, also ein Verwaltungsrat für Geschäftsführung und Aufsicht zugleich notwendig. Ob bei der Societas Europea ein monistisches oder dualistisches System angewendet werden soll, muss im Gesellschaftsvertrag festgelegt sein.

Beim dualistischen System werden die Mitglieder des Leistungsorganes, also des Vorstands vom Aufsichtsorgan, dem Aufsichtsrat bestellt und auch abberufen, jene des Aufsichtsorganes von der Hauptversammlung bestellt und abberufen, wobei das Gesamtmodell sehr jenem der Aktiengesellschaft gleicht. Wird im Gesellschaftsvertrag das monistische System ausgewählt, so sieht das Gesetz der Societas Europea die Einrichtung eines Verwaltungsrates vor, welcher die Gesellschaft leitet und deren Geschäfte führt. Die Mitglieder des Verwaltungsrates, welche mindestens drei Personen aber maximal zehn sein können, werden für einen von der Satzung festgelegten Zeitraum von maximal sechs Jahren von der Hauptversammlung bestellt. Es ist jedoch eine vorzeitige Abberufung durch die Hauptversammlung möglich. Wie auch bei der Aktiengesellschaft können bei der Societas Europea bestimmten Aktionären gewisse Entsendungsrechte eingeräumt werden.

Für die laufenden Geschäfte der Gesellschaft, also Geschäftsführung und Vertretung sind vom Verwaltungsrat ein oder mehrere sogenannte geschäftsführende Direktoren auf maximal fünf Jahre zu bestellen. Diese können dann, aber müssen nicht dem Verwaltungsrat angehören. Aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern muss jedenfalls die Mehrheit im Verwaltungsrat angehören, bei börsennotierten Gesellschaften dürfen die geschäftsführenden Direktoren dem Verwaltungsrat gar nicht angehören. Gegenüber dem Verwaltungsrat sind die Direktoren weisungsgebunden, und soweit die Geschäftsführung nicht Aufgabe der Direktoren ist, sind die Mitglieder des Verwaltungsrates gemeinschaftlich zur Geschäftsführung ermächtigt. In der Satzung muss festgelegt sein, für welche Arten von Geschäften ein Beschluss des Verwaltungsrates notwendig ist.

Die möglichen Modelle der Vertretung sind im Gesetz der Societas Europea geregelt, wie etwa die gemeinsame Vertretung mangels anderweitiger Satzungsregelung. Sämtliche Verwaltungsmitglieder als auch Direktoren müssen im Firmenbuch eingetragen werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die österreichische Regelung auch im monistischen System grundsätzlich eine Trennung von Geschäftsführung beziehungsweise Vertretung und Aufsicht vor.

Der Zweck der Beteiligung der Arbeitnehmer liegt in der Gewährleistung, dass die Gründer einer Societas Europea nicht zur Beseitigung oder Einschränkung der nationalen Gepflogenheiten der Arbeitnehmer führen kann, die in den an der Gründung beteiligten Gesellschaften regieren. Um ein einheitliches Modell einzuführen, sind die Modelle der Arbeitnehmemerbeteiligungen der Mitgliedstaaten viel zu unterschiedlich. Aus diesem Grund sieht die dafür vorgesehene Richtlinie im Rahmen der Gründung einer Societas Europea ein Verhandlungsverfahren zwischen den Leitungsorganen und der Arbeitnehmervertretung der betroffenen Gesellschaften über die jeweilige Beteiligung der Arbeitnehmer vor. Sollten die Verhandlungen scheitern, gibt es eine von den Mitgliedstaaten zwingend umzusetzende Auffangregelung.

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