Die Einanwortung und der Erwerb der Erbschaft




Nach Österreichischem Recht kann nicht jeder, der von Sicht behauptet, berechtigter Erbe zu sein, auch ohne weiteres den jeweiligen Nachlass, also das Erbe an sich nehmen. Vielmehr bedarf es eines gerichtlichen Verfahrens, dem sogenannten Verlassenschaftsverfahren, bei dem festgestellt wird, wem der Nachlass tatsächlich zusteht, also wer berechtigter Erbe ist. In jedem Erbfall gibt es ein Verlassenschaftsverfahren. Zweck dieses Verfahrens ist es, den Nachlass unter gerichtlicher Aufsicht dem rechtmäßigen Erben zu übergeben, darüber hinaus die Rechte minderjähriger Beteiligter zu sichern und auch die Erfüllung des letzten Willens zu überwachen.

Das Verlassenschaftsverfahren wird durch ein Vorverfahren eröffnet und zwar dann, wenn dem zuständigen Bezirksgericht der Totenschein des Erblassers übermittelt wurde. Anstelle des Gerichts wird allerdings ein zuständiger Notar tätig. Der zuständige Notar wird durch eine sogenannte Verteilungsordnung, die vom Oberlandesgericht beschlossen wird, festgelegt und richtet sich nach dem Sterbedatum und dem Ort des letzten Wohnsitzes. Dieser vom Gericht bestimmte Notar tritt als sogenannter Gerichtskommissär auf, er ist also der Träger des Verlassenschaftsverfahrens. Der Gerichtskommissär erhebt dabei für das Gericht alle für das Verlassenschaftsverfahren maßgeblichen Umstände. Er übernimmt beispielsweise die Todesfallaufnahme, wie beispielsweise etwa die Erfassung der Daten des Verstorbenen, das Vorhandensein erbberechtigter Verwandter, letztwilliger Verfügungen, Vermögenswerte, Schulden, sowie das Inventar der Verlassenschaft und auch die Feststellung des reinen Nachlasses sowie auch die Feststellung der möglichen Erben.

Vom zuständigen Notar erhält man etwa zwei bis drei Wochen nach dem Todesfall eine Einladung zur Todesfallsaufnahme. Bei diesem Termin werden anhand eines Fragenkatalogs die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Erblassers festgehalten und es wird geklärt, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind. Die erforderlichen Unterlagen hierzu sind: Standesdokumente, die Geburtsurkunde, der Taufschein, der Staatsbürgerschaftsnachweis, wenn vorhanden, die Heiratsurkunde oder in eventu auch das Scheidungsdekret, gegebenenfalls auch die Sterbeurkunde des Ehegatten, die Bestätigung der Meldung, letztwillige Anordnungen wie beispielsweise das Testament, wenn vorhanden.

Darüber hinaus erforderlich sind die Unterlagen über Gehalts- oder Pensionskonto, zum Beispiel also Kontoauszüge, eine Aufstellung über Sparbücher, die Aufstellung über Wertpapiere und Wertpapierdepots, eine Aufstellung über sonstige Bankvermögenswerte, Hinweise auf Schließfächer, Safes, Kreditverträge, Bürgschaftsverträge, Leasingverträge, etwaige Liegenschaftsunterlagen, Grundbuchsauszüge, Einheitswertbescheide, Bausparverträge und Lebensversicherungspolizzen, im Falle des Besitzes von Faustfeuerwaffen der Waffenpass und/oder die Waffenbesitzkarte, weiters Unterlagen über Firmenbeteiligungen des Erblassers bei selbstständiger Tätigkeit, Belege über Begräbnisrechnungen und ein eventueller Kostenvoranschlag für einen Grabstein, eine Grabinschrift et cetera. Anlässlich der Todesfallsaufnahme wird mit dem Notar die weitere Abwicklung besprochen. Der Gerichtskommissär erhebt auch durch eine Anfrage beim Zentralen Testamentsregister, ob letztwillige Anordnungen des verstorbenen Erblassers vorhanden sind.

Bei geringfügigen Nachlässen, nämlich jenen die Euro 4000,- an Aktiven nicht überschreiten, kann das Verfahren nach dem Vorverfahren vereinfacht werden, es muss also nicht zur kompletten Abhandlung, also zur Durchführung des gesamten Verlassenschaftsverfahrens kommen. Nach dem Wortlaut des alten Gesetzes sprach man von der Abtuung armutshalber, der neue Gesetzeswortlaut hingegen spricht nunmehr vom Unterbleiben der Abhandlung. Wenn überhaupt kein Nachlass vorhanden ist, ist mit der Todesfallsaufnahme das Verlassenschaftsverfahren auch schon wieder beendet.

Ist hingegen ein betraglich nicht unerheblicher Nachlass überschuldet (also Passiva, Minusbeträge), so kommt es in der Regel zum Verlassenschaftskonkurs, bei dem die jeweilig betroffenen Gläubiger anteilig befriedigt werden. Im Regelfall und praktisch bedeutsamer allerdings ist jedoch das Verlassenschaftsverfahren durchzuführen, in welchem das Erbrecht an sich zu klären ist. Hierfür muss ermittelt werden, wer denn einen Anspruch auf den Nachlass des Erblassers hat. Die potentiellen Erben müssen dabei eine bindende Erklärung abgeben, ob sie den Nachlass in seiner Gesamtheit annehmen wollen oder nicht. Eine Erbantrittserklärung würde dabei bedeuten, das gesamte Erbe anzunehmen, eine Ausschlagung oder auch Entschlagung hieße, das Erbe nicht annehmen zu wollen, man schläft die Erbschaft also aus. Die Abgabe dieser Erklärung muss im Übrigen freilich erst dann erfolgen, wenn durch den Gerichtskommissär endgültig festgestellt wurde, wie hoch der gesamte, also reine Nachlass ist.

Parteien im Verlassenschaftsverfahren sind die Erben. Pflichtteilsberechtigte haben nur Beteiligtenstellung, Vermächtnisnehmer werden überhaupt nur von ihren Ansprüchen verständigt, ohne selbst am Verfahren beteiligt zu sein.

Steht nun mehr fest, wer schlussendlich rechtmäßiger Erbe ist, so erfolgt ein Gerichtsbeschluss. Dieser Gerichtsbeschluss wird Einantwortung genannt. Der Nachlass wird dem Erben vom Gericht durch den Beschluss eingeantwortet. Der Erbe wird in weiterer Folge Eigentümer der Nachlasssachen. Davor ist der Nachlass ein sogenannter ruhender Nachlass. Der ruhende Nachlass ist eine juristische Person und wird sinngemäß auch als eine solche behandelt. Diese juristische Person, also der ruhende Nachlass, wird bevor der Erbe durch die finale gerichtliche Einantwortung Eigentümer wird, von einem Kurator oder aber auch von einem erbantrittsfähigen Erben vertreten. Mit der finalen Einantwortung kommt es zu einer sogenannten Universalsukzession. Der Erbe tritt vermögensrechtlich gesehen an die Stelle des Erblassers, er wird, anders formuliert, Gesamtrechtsfolger des Erblassers. Dieses Prinzip gilt auch uneingeschränkt bei Liegenschaften, was eine Durchbrechung des Intabulationsprinzips bedeutet; für den Eigentumserwerb bedarf es eigentlich nämlich mitunter auch einer Eintragung in das dazugehörige Grundbuch.

Nicht sehr häufig, dennoch kann es vorkommen dass einem falschen Erben eingeantwortet wird, weil ihm beispielsweise die eigentliche Berechtigung fehlt oder ein anderer potentieller Erbe über eine bessere Berechtigung am Nachlass verfügt und dies, zeitlich gesehen, erst später zu Tage kommt. In solch einem Fall spricht man von einem sogenannten Scheinerben. Der wahre Erbe kann nach der Einantwortung sein Erbrecht mit Hilfe der Erbschaftsklage geltend machen. Mit der Erbschaftsklage verlangt der wahre Erbe die Herausgabe des Nachlasses vom Scheinerben an sich selbst. Mit Rechtskraft des jeweiligen Urteils tritt der Kläger, also der wahre Erbe an die Stelle des ursprünglich eingeantworteten Erben, des Scheinerben. Strittig ist man sich im Österreichischem Recht, wenn sich die Frage der Verjährung hinsichtlich der Möglichkeit, eine Erbschaftsklage einzureichen, stellt. Meistens wird allerdings eine Verjährung im Ausmaß von dreißig Jahren angenommen.

Wenn allerdings die Gültigkeit eines Testaments bestritten wird, so beläuft sich die Verjährungsfrist jedenfalls nur auf drei Jahre. Diese kürzere Verjährungsfrist soll der Rechtssicherheit dienlich sein. Problematisch gestalten sich auch etwaige Verfügungen, die der Scheinerbe bereits nach der Einantwortung getroffen hat, also beispielsweise wenn der Scheinerbe bereits Geld ausgegeben hat, Sachen verkauft hat, verschenkt oder verloren hat.

Immerhin handelt es sich beim Scheinerben ja nicht um den wahren Eigentümer all dieser Nachlasssachen. Laut Österreichischem Gesetz werden daher nur und ausschließlich gutgläubige Dritte geschützt, die mit dem Scheinerben Geschäfte getätigt haben, also ausschließlich diejenigen, die definitiv nicht wussten, dass der Scheinerbe in Wahrheit nicht der echte Eigentümer und der wahre Erbe des Nachlasses war. Dies gilt sowohl bei beweglichen, unbeweglichen, körperlichen, unkörperlichen Sachen sowie bei entgeltlichen sowie auch unentgeltlichen Geschäften, die der Scheinerbe mit einem außenstehenden Dritten getätigt hat. Geschützt wird dadurch vor allem das allgemeine Vertrauen auf die Einantwortung selbst, die Rechtssicherheit wird dadurch ebenfalls gefördert. Unstrittig hingegen erweist sich der Fall, wenn die betreffende Nachlasssache nicht einmal im Eigentum des eigentlichen Erblassers stand. In solch einem Fall greift freilich kein Schutz gegenüber gutgläubigen Dritten. An solchen vermeintlichen Erbsachen kann definitiv kein Eigentum erworben werden.

Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Der Scheinerbe verkauft eine Vase und eine Lampe des Erblassers. Die Vase stand tatsächlich im Eigentum des Erblassers, man fand eine Kaufvertrags-Rechnung auf den Namen des Erblassers. Die Lampe hingegen stand nie im Eigentum des Erblassers, wie sich herausstellte, hat die eigentliche Eigentümerin der Lampe, eine gute Freundin des Erblassers, die Lampe dem Erblasser nur zur Verwahrung aufgrund eines Umzuges übergeben. Der Verkauf der Vase durch den Scheinerben an einen Dritten ist also rechtsgültig, da der Dritte auf die Richtigkeit der Einantwortung vertrauen durfte, er durfte also davon ausgehen, dass er vom wahren Erben, vom wahren Eigentümer kauft. Der Verkauf der Lampe allerdings ist ausnahmslos rechtsungültig. Die Lampe stand nie im Eigentum des Erblassers, daher auch nie im Eigentum des Scheinerben und kann daher auch nicht als Eigentum an einen Dritten rechtsgültig übertragen werden.

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