Erbrecht bei behinderten Kindern




Ein behindertes Kind ist genauso erbberechtigt sowie auch erbfähig wie jedes andere nicht behinderungsbehaftete Kind auch. Ein behindertes Kind kann also sowohl durch eine letztwillige Verfügung des Erblassers bedacht als auch durch die gesetzliche Erbfolge selbst hinsichtlich des Nachlasses begünstigt werden. Im Rahmen des Verlassenschaftsverfahren erhält das behinderte Kind also genau den Vermögenswert, den es als Kind ohne Behinderung auch erhalten hätte. Allerdings sollte rechtzeitig überlegt werden, ob für die Verwaltung des durch Einantwortung geerbten Vermögens ein Sachwalter zu bestellen ist, der stellvertretend für das betreffende Kind sowohl die eigentliche Verwaltung des Vermögens nach der Einantwortung übernimmt als auch das Verlassenschaftsverfahren selbst im Interesse des Kindes abwickeln kann.

Die eigentliche Grundproblematik beim Erbrecht behinderter Kinder findet sich erst in der sogenannten Beteiligung der Länder. Bei behinderten Kindern kommt es nämlich häufig vor, dass diese Sozialleistungen der Länder in Anspruch nehmen, beispielsweise genannt seien die Frühförderung, die Hippotherapie, der Besuch eines Kindergartens et cetera genannt. Die Länder übernehmen in solchen Fällen oft die gesamten oder zumindest partielle Kosten für die jeweilig behinderten Kinder.

Gelangt allerdings das betreffende Kind durch einen erhaltenen Nachlass zu Vermögen, während es dementsprechende Leistungen aus dem Behindertengesetz oder Sozialhilfegesetz der jeweiligen Länder bezieht, so hat das Land, dass die Leistungen für das behinderte Kind erbringt, die Möglichkeit, auf gerade dieses Vermögen, dass aus der Erbschaft entstammt, zuzugreifen. Das Land gewährt nämlich die Inanspruchnahme seiner Leistungen nur, wenn sich das behinderte Kind beziehungsweise seine Familie gerade diese Leistungen selbst nicht leisten können. Durch vorhandenes Vermögen wäre dies allerdings nicht mehr der Fall. Dieser Zugriff der Länder auf das Vermögen des Kindes ist zumeist drei bis fünf Jahre rückwirkend möglich und gilt freilich immer nur dann, wenn das Land die Kosten für eine Maßnahme beziehungsweise Leistung für das behinderte Kind übernommen hat.

Wird das behinderungsbehaftete Kind, welches durch eine Erbschaft zu Vermögen gelangt, in einer Einrichtung betreut, so besteht für das Land die Möglichkeit, sich für den laufenden Betrieb und auch für die laufenden Kostenaufwendungen aus dem vorhandenen Vermögen des Kindes zu befriedigen. Beispiele für solche Einrichtungen wären beispielsweise ein Wohnhaus oder eine Werkstätte. Von einem Vermögen wird bereits ab rund 2180 Euro gesprochen. Die Mindesthöhe, um von einem Vermögen sprechen zu können, ist allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, da ja die Behindertengesetzgebung wie auch die Sozialhilfegesetzgebung grundsätzlich Sachen der Länder sind. Alles, was über diese Mindesthöhe des Vermögens hinausgeht, kann das leistende Land bei Bedarf an sich ziehen.

Eine Sonderregelung findet man in Österreich nur in Wien. Dort nämlich kann ein bereits volljähriges, also mindestens neunzehn Jahre altes, behindertes Kind die Dauerleistung der Sozialhilfe beziehen. Dabei darf es allerdings nicht in einer Wohneinrichtung betreut werden. Das Land hat dabei allerdings die Möglichkeit, und das rückwirkend auf drei Jahre, die Dauerleistung der Sozialhilfe aus dem durch die Erbschaft erworbenen Vermögen zurückzufordern. Darüber hinaus kann auch auf Vermögen, welches aus einer Schenkung entstammt, zurückgegriffen werden. Nach aktuellem Stand sind dies etwa Euro 22.000,-.

Verständlicherweise sind die Eltern eines behinderten Kindes darum bemüht, ihrem Kind möglichst viel zu hinterlassen, denn gerade behinderte Personen haben einen wesentlich höheren Bedarf an finanzieller Zuwendung, zumal ihnen aufgrund der Behinderung die Möglichkeit der Selbsterhaltung oft genommen wird. Der Gedanke, dem behinderten Kind daher alles mittels Erbschaft zu vermachen erscheint daher auf den ersten Blick sehr verständlich und logisch. Allerdings sollte bereits auffallen, dass man mit einer etwaigen Erbschaft, in der man den Behinderten selbst begünstigt, oftmals nur dem Land dadurch die Möglichkeit einräumt, seine Leistungen an das Kind aus dem vorhandenen Erbvermögen zurückzufordern. Die auf diesem Wege eingenommen Geldbeträge fließen in allen Bundesländern in das allgemeine Landesbudget ein, die einzige Ausnahme ist Niederösterreich mit einer Zweckbindung für andere behinderte Personen. Dies ist vermutlich nicht im Interesse des Kindes oder seiner Eltern. Es bestehen daher einige Möglichkeiten, den Quasi-Schaden so gering wie nur möglich zu halten.

Zum einen besteht einmal die Möglichkeit, das Erbe so gering als nur möglich zu halten. Wenn Eltern also nicht wollen, dass das Land am, wahrscheinlich hart ersparten Vermögen teilnimmt, dann sollte der Vermögensteil, der auf das behinderte Kind fällt, so gering wie möglich gehalten werden. Es wäre etwa möglich, das Kind auf den sogenannten Pflichtteil (siehe dazu mehr im gleichnamigen Kapitel) zu setzen;. Der Pflichtteil ist, wie der Name bereits vermuten lässt, eine Quote aus dem gesetzlichen Erbrecht, den das Kind verpflichtenderweise und jedenfalls erhalten muss. Der Pflichtteil ist also unumgänglich, allerdings zeitgleich die geringstmögliche Zuwendung, die ein Kind erhalten kann. Selbstredend kann sich das Land auch aus dieser geringfügigen Zuwendung, also aus dem Pflichtteil des Nachlasses bedienen, in solch einem Fall allerdings nur so lange, bis kein Vermögen mehr besteht, also nur mehr Euro 2180,- verbleiben. Der Pflichtteil ist grundsätzlich in einer Geldzahlung zu leisten. Schwierig wird es allerdings dann, wenn hauptsächlich Liegenschaften oder sonstiger Grundbesitz, worunter selbstverständlich auch eine Eigentumswohnung zählt, vorhanden ist. Dann muss der Erbe aus dem Wert, der vorhanden ist, den Pflichtteil zahlen.

Ein Beispiel zur Verbildlichung: Ein behindertes Kind soll laut Testament nur den Pflichtteil aus dem Nachlass erhalten. Im reinen Nachlass selbst ist allerdings nur eine Eigentumswohnung mit einem geschätzten Marktwert von Euro 200.000,-. Das Kind muss in der Folge dem Land so viel an Vermögen zur Verfügung stellen, als hätte das Erbe Euro 200.000,- in bar betragen. Aus diesem Betrag wird dann der Pflichtteilsbetrag errechnet, dieser gilt dann als das erbliche Vermögen des behinderten Kindes. Eine andere Möglichkeit ist es, dort wo Haus- und Grundbesitz vorhanden ist, den Pflichtteil so darzustellen, dass er als Wohnrecht auf Lebenszeit für das behinderte Kind ins Grundbuch kommt. Hier ist man allerdings auf eine gewisse Großzügigkeit des Verlassenschaftsrichters angewiesen, ob er diese Regelung akzeptiert, oder auf Barleistung des Pflichtteils besteht, da auf Akzeptierung des Wohnrechtes kein Rechtsanspruch besteht.

Eine Alternative das Kind zu beerben ist auch die sogenannte Schenkung an Dritte. Schenkungen an das behinderte Kind anstelle eines Dritten hätten nämlich lediglich zur Folge, dass sich das betreffende, leistende Land auch aus der Schenkung schadlos halten kann. Bei der Schenkung an Dritte ist allerdings die sogenannte Schenkungspflichtteilsregelung zu beachten. Das heißt konkret, es müssen unbedingt zwei bis zehn Jahre zwischen der Schenkung des Vermögens oder eines Teiles davon an einer Dritten und Tod des Schenkenden und zugleich Erblassers vergehen, da ansonsten die Rechtsprechung in Österreich den Verdacht schöpft, dass diese Schenkung gerade zur Umgehung der Selbstbeteiligung an diversen Leistungen, die ja sonst durch eine Erbschaft angefallen wäre, stattgefunden hat. Die Rechtsprechung ist dabei allerdings nicht sehr einheitlich.

Jedenfalls kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass durch die rechtzeitige Schenkung an einen Dritten das Vermögen derart verringert wird, dass zum Zeitpunkt des Todes der Eltern des behinderten Kindes kein Vermögen mehr vorhanden ist, und das Land in weiterer Folge sich nicht aus dem vorhandenen Vermögen durch ein Erbe bedienen kann.

Als Variante der Schenkung an einen Dritten wäre auch denkbar, die Schenkung unter einer Auflage zu verschenken. Diese Auflage beziehungsweise Bedingung könnte lauten, dass sich der Beschenkte bei Erhalt der Schenkungssumme um das behinderte Kind zu kümmern hat. Zur Einhaltung dieser Bedingung wäre es allerdings äußerst ratsam, einen Sachwalter zu bestellen, der die Erfüllung auch kontrollieren kann.

Denkbar wäre auch, das Vermögen der Einrichtung, in der das Kind betreut wird, zu schenken. Der Vorteil dieser Lösung liegt vor allem darin, dass die meisten der Trägerorganisationen den sogenannten Gemeinnützigkeitsstatus besitzen und daher Schenkungen an diese steuerlich begünstigt sind. Es muss jedoch beachtet werden, dass die Aufhebung der Schenkungssteuer allerdings nicht die Meldepflicht von gewissen Schenkungen einschränkt. Das Problem dabei ist, dass im Falle der dauernden Pflegebedürftigkeit und Aufnahme in ein Pflegeheim die Trägerorganisation möglicherweise nicht imstande ist, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Außerdem muss dabei bedacht werden, dass vor allem bei Vorliegen von großen Vermögenswerten auch andere Personen neben dem eigenen behinderten Kind in den Genuss des Vermögens kommen können. Es empfiehlt sich aber in jedem Fall ein vorhergehendes Gespräch mit der jeweiligen Trägerorganisation.

Im Rahmen der Lebenshilfe bestehen seit einiger Zeit Überlegungen, Privatstiftungen nach dem neuen österreichischen Privatstiftungsgesetz zu gründen, deren Zweck die Betreuung und finanzielle Versorgung der Klienten sein soll. Dies wäre eine weitere Möglichkeit, wie man sein Vermögen weitergeben kann, ohne dass die Länder darauf Zugriff nehmen können. Auch hier wäre die Steuerbegünstigung im Schenkungsfalle gegeben.

Zur Vorgangsweise bietet sich dabei an, dass die potentiellen Stifter innerhalb eines Landesvereins der Lebenshilfe sich zu einem Stiftungs-Gründungsverein zusammenschließen. Nach Gründung der Privatstiftung können Vermögenswerte mit einem Steuersatz von lediglich fünf Prozent in die Stiftung eingebracht werden. Später können auch weitere Eltern als Zustifter Zuwendungen an die Privatstiftung einbringen. In der jeweiligen Satzung einer solchen Stiftung kann vorgesehen werden, dass die eingebrachten Vermögensteile jeweils zweckgebunden dem eigenen Kind zu gute kommen. Dazu kann in der Satzung auch vorgesehen werden, dass Teile des Stiftungsvermögens für allgemeine Zwecke verwendet werden, wie etwa die Schaffung zusätzlichen Wohnraumes. Allerdings ist vor der Gründung einer solchen Stiftung abzuklären, ob und in welcher Form die jeweilige Landesregierung Zuwendungen aus einer Stiftung an einzelne behinderte Menschen als Einkommen betrachtet und damit auf allfällige Kostenbeitragsberechnungen zur Anwendung bringt.

Sollte ein behindertes Kind Vermögen haben, dann tritt im Prinzip beim Tod des behinderten Kindes, wie auch bei einem nicht-behinderungsbehafteten Kind, sofern keine letztwillige Verfügung, also beispielsweise ein Testament vorhanden ist, die gesetzliche Erbfolge ein. Da in diesem Fall meist keine Ehegatten oder Kinder vorhanden sein werden, sind dann die Eltern zum Erben berufen.

Es besteht auch für das behinderte Kind die Möglichkeit, ein Testament aufzusetzen. Jedoch kommen bei behinderungsbehafteten Kindern nur die sogenannten öffentlichen Testamente in Frage, das sind also die öffentlichen Testamente vor dem Gericht oder auch vor einem Notar. Der Unterschied bei diesen Testamentsformen liegt unverkennbar in der Öffentlichkeit, wie der Name öffentliches Testament bereits vermuten lässt, insbesondere aber in der öffentlichen Beurkundung des Testaments. Ein öffentliches Testament kann mündlich oder auch schriftlich vor dem Gericht oder vor einem Notar errichtet werden, mündliche Erklärungen werden in ein Protokoll aufgenommen, schriftliche Erklärungen werden versiegelt und bei einem Notar oder Rechtsanwalt hinterlegt. Das behinderte Kind muss allerdings darüber hinaus in der Lage sein, eine Willensäußerung abzugeben, sonst ist es nicht testierfähig.

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