Mit der Verordnung des Rates von 22. Juli 2003 über das Statut der europäischen Gemeinschaft, welche unmittelbar anzuwenden ist, und dem als österreichisches Ausführungsgesetz dienendes Gesetz über das Statut der Europäischen Genossenschaft wurde mit Wirkungsmöglichkeit ab 18. August 2006 die Möglichkeit zur Gründung einer Europäischen Genossenschaft, original genannt die société coopérative européene, und abgekürzt SCE beziehungsweise EUGEN, geschaffen. Diese ist eine supranationale Gesellschaftsform und soll es sowohl natürlichen als auch juristischen Personen aus den verschiedensten Mitgliedsstaaten ermöglichen, im Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft mit einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit aufzutreten.
Begleitend zur Verordnung der Europäischen Genossenschaft wurde eine Richtlinie vom Rat am 22. Juli 2003 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligungen der Arbeitnehmer erlassen, welche aber in erster Linie im Arbeitsverfassungsgesetz umgesetzt worden ist.
Inhaltlich als auch formal folgen die Rechtsgrundlagen der Europäischen Genossenschaft jenen zur Europäischen Gesellschaft. Die Intensität der Angeleichung des Rechts ist bei der Europäischen Genossenschaft aber weit weniger ausgeprägt als bei der Europäischen Genossenschaft, da die Verordnung der Europäischen Genossenschaft häufig auf nationales Recht verweist. Auch wird oft ergänzend auf nationales Recht verwiesen, wie etwa bei der Prüfung des Genossenschaftsvertrages, bei der Publizität und bei der Verschmelzung. Weiter unterliegt die Europäische Genossenschaft in erster Linie den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf all jene Europäischen Genossenschaften Anwendung finden, die im Rechtsstaat jenes Mitgliedslandes als Genossenschaft gegründet werden, gefolgt von den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften beziehungsweise dem entsprechenden Umsatzrecht und den aufgrund der Verordnung der Europäischen Genossenschaft ausdrücklich zugelassenen Satzungsbestimmungen.
Die Europäische Genossenschaft ist eine Gesellschaft deren Grundkapital in Geschäftsanteile zerlegt ist, und des weiteren besitzt sie auch Rechtspersönlichkeit. Die Mitgliederanzahl als auch das Grundkapital sind veränderlich. Soweit im Genossenschaftsvertrag der Europäischen Genossenschaft nichts anderes vorgesehen ist, haftet ein Mitglied der Europäischen Genossenschaft nur bis zur Höhe seines eingezahlten Geschäftsanteiles. Wenn die Haftung der Mitglieder beschränkt ist, dann muss der Firma der Europäischen Genossenschaft der Zusatz mit beschränkter Haftung angefügt werden. Der genossenschaftlichen Hauptidee entsprechend ist der Hauptzweck einer Europäischen Genossenschaft den Bedarf ihrer Mitglieder zu decken und deren wirtschaftliche oder soziale Tätigkeit zu fördern. Eine Genossenschaft tut dies insbesondere durch den Abschluss von Vereinbarungen mit ihren Mitgliedern über die Lieferungen von Waren, die Erbringung von Dienstleistungen oder auch mittels der Durchführung von Arbeiten, welche die Europäische Genossenschaft ausübt oder ausüben lässt.
Gegründet kann eine Europäische Genossenschaft werden von mindestens fünf natürlichen Personen mit Wohnsitz in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten. Auch kann sie gegründet werden von mindestens fünf natürlichen Personen und Gesellschaften beziehungsweise juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, wobei diese wieder mindestens zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten zuzurechnen sein müssen und dabei bei natürlichen Personen auf den Wohnsitz, bei und bei Gesellschaften beziehungsweise juristischen Personen darauf abgestellt wird, dass sie dem Recht von zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten unterliegen. Die dritte Möglichkeit ist, dass die Europäische Genossenschaft von mindestens zwei Gesellschaften oder juristischen Personen gegründet wird, die dem Recht zweier verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen.
Auch kann die Europäische Genossenschaft durch eine Verschmelzung von Genossenschaften, welche nach dem Recht eines Mitgliedsstaates gegründet worden sind und ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben, gegründet werden, sofern mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen, wobei hierbei sowohl eine Verschmelzung durch Aufnahme, indem die aufnehmende Genossenschaft die Form einer Europäischen Genossenschaft annimmt, als auch durch eine Verschmelzung durch Gründung einer neuen juristischen Person, der Europäischen Genossenschaft, möglich ist. Zum Schutz für Genossenschaftsmitglieder, welche sich gegen die Verschmelzung ausgesprochen haben, sieht das Gesetz der Europäischen Genossenschaft ein besonderes Kündigungsrecht vor.
Wenn eine Genossenschaft ihr Vermögen auf eine Europäische Genossenschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat überträgt, sind zudem auch noch Gläubigerschutzmechanismen erforderlich, wie etwa dass Genossenschaftsgläubiger binnen einem Monat ab dem Verschmelzungsbeschluss schriftlich Sicherheitsleistungen für ihre bis dahin entstandenen Forderungen verlangen können. Dies gilt aber nur insofern, insoweit sie glaubhaft machen können, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet wird.
Die letzte Möglichkeit zu Gründung einer Europäischen Genossenschaft ist die Umwandlung einer Genossenschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden ist und ihren Sitz als auch ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft hat, wenn diese seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Niederlassung oder auch Tochtergesellschaft hat. Hier sind keine besonderen Bestimmungen zum Schutz der Gläubiger oder überstimmter Genossenschafter notwendig, da sich keine grenzüberschreitenden Aspekte ergeben.
Von den Gründungsmitgliedern ist eine schriftliche Satzung mit bestimmten Mindestinhalten zu erstell und auf die Kontrolle der Gründung findet das maßgebende Recht des Sitzmitgliedsstaates entsprechende Anwendung, das für diese Prüfung vorgesehen ist. Der Sitz der Europäischen Genossenschaft muss in der Europäischen Genossenschaft liegen, und zwar in jenem Mitgliedsstaat, in jenem sich die Hauptverwaltung der Europäischen Genossenschaft befindet. Die Europäische Genossenschaft wird im Staat des Sitzes nach dem dort für die Aktiengesellschaft maßgebliche Recht in ein Register eingetragen, in Österreich also in das Firmenbuch, und mit der Eintragung erwirbt die Europäische Genossenschaft auch Rechtspersönlichkeit, Ebenfalls ist zu Informationszwecken auch eine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vorgesehen.
Wenn eine Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedsstaat vorgenommen wird, so ist den Gläubigern der Genossenschaft, wenn diese sich spätestens binnen einem Monat melden, für ihre bis dahin entstandenen Forderungen Sicherheit zu leisten, insofern diese nicht Befriedigung erlangen können. Für diese Durchsetzung muss aber glaubhaft gemacht werden, dass durch die Sitzverlegung die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet wird, und dies ist ausgewiesen dann der Fall, wenn bedeutende Vermögensverlagerungen vorgenommen werden oder auch nur zu befürchten sind. Mitgliedern der Genossenschaft, die gegen die Verlegung des Sitzes gestimmt haben, wird gesetzlich ein besonderes Austrittsrecht eingeräumt.
Bezüglich des Mindestkapitals ist vorgesehen, dass die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile zu jeder Zeit mindestens Euro 30.000,- betragen müssen, doch kann der Genossenschaftsvertrag unterschiedliche Kategorien von Geschäftsanteilen vorsehen, die mit verschiedenen Rechten bei der Verteilung des Ergebnisses verbunden sind. Auch kann der Genossenschaftsvertrag vorsehen, dass Personen, für die eine Teilmitgliedschaft am Gegenstand der Europäischen Genossenschaft nicht in Frage kommt, als investierende, sogenannte nichts nutzende Mitglieder zugelassen werden können. Auch ist die Ausgabe von Wertpapieren möglich, die keine Gesellschaftsanteile sind, sowie die Ausgabe von Schuldverschreibungen, deren Inhaber aber kein Stimmrecht haben. Diese können aber von Mitgliedern und von außen stehenden Personen gezeichnet werden, doch verleiht der Erwerb dieser ihnen keine Mitgliedschaft. Den Inhaber solcher Instrumente können aber auch besondere Vorteile gewährt werden.
Das wichtigste Organ der Europäischen Genossenschaft ist die Generalversammlung. Im Prinzip kommt jedem Mitglied unabhängig von der Anzahl seiner Anteile eine Stimme zu, aber der Genossenschaftsvertrag kann einem Mitglied auch eine bestimmte Anzahl von Stimmen zuteilen, die sich nach seiner Beteiligung an der genossenschaftlichen Tätigkeit richtet. Dies können allerdings höchstens fünf Stimmen je Mitglied oder dreißig Prozent der gesamten Stimmrechte sein, je nachdem welche Zahl niedriger ist. Wenn die Mitglieder der Europäischen Genossenschaft mehrheitlich Genossenschaften sind, so kann der Genossenschaftsvertag beispielsweise auch vorsehen, dass sich die Zahl der zugeteilten Stimmen nach der Mitgliederzahl jeder der beteiligten Genossenschaften richtet. Weiters können durch den Genossenschaftsvertrag auch nicht nutzenden, also investierenden Mitgliedern Stimmen zugeteilt werden, allerdings in Summe nicht mehr als fünfundzwanzig Prozent der gesamten Stimmrechte.
Weiters gibt es entweder ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan, wie dies beim dualistischen System der Fall ist, oder ein Verwaltungsorgan, wie beim monistischen System. Dies ist im Genossenschaftsvertrag festzulegen. Bei einer Wahl des dualistischen Systems wird bei der Europäischen Genossenschaft mit Sitz in Österreich das Leitungsorgan als Vorstand und das Aufsichtsorgan als Aufsichtsrat bezeichnet. Im monistischen System wird das Verwaltungsorgan Verwaltungsrat genannt. Im monistischen System gelten die Regelungen für den Vorstand und Aufsichtsrat sinngemäß für den Verwaltungsrat, jedoch können die Rechte und Pflichten des Vorstandes oder Aufsichtsrates im monistischen System auch einem oder mehreren geschäftsführenden Direktoren übertragen werden.
Im Prinzip ist Gesamtgeschäftsführung vorgesehen, der Genossenschaftsvertrag kann Organmitgliedern aber auch die Befugnis zur Einzelvertretung einräumen. Die Verordnung zur Europäischen Genossenschaft regelt diesbezüglich insbesondere die Verwendung des Betriebsergebnisses, die Rechnungslegung mitsamt Pflichtprüfung als auch einige Aspekte der Auflösung der Europäischen Genossenschaft, wobei aber weitgehend auf nationales Recht verwiesen wird, ebenso wie für Fragen bei der Liquidation oder der Insolvenz.
Das Arbeitsverfassungsgesetz regelt in Umsetzung der Richtlinie zur Europäischen Genossenschaft die Beteiligung der Arbeitnehmer in der Europäischen Genossenschaft. Die Bestimmungen sollen gewährleisten, dass die Gründung einer Europäischen Genossenschaft nicht zu einer Beseitigung oder Einschränkung der Arbeitnehmerbeteiligung führt, die in den an der Gründung beteiligten Rechtspersonen herrscht. Das Ziel ist die Errichtung eines Europäischer-Genossenschafts-Betriebsrates oder eines anderen Verfahrens zur Unterrichtung als auch Anhörung der Arbeitnehmer. Gibt es diesbezüglich keine Einigung, so ist ein Europäischer-Genossenschafts-Betriebsrat kraft Gesetzes einzurichten.