Was ist eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft?




Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sind Vereine von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche im Wesentlichen der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen. Einige Beispiele hierfür sind Kreditgenossenschaften, Einkaufsgenossenschaften, Verkaufsgenossenschaften, Konsumgenossenschaften, Verwertungsgenossenschaften, Nutzungsgenossenschaften, Baugenossenschaften, Wohnungsgenossenschaften sowie Siedlungsgenossenschaften.

Die Rechtgrundlagen hierfür sind neben dem Gesetz über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom Jahr 1873, zuletzt geändert durch das Genossenschaftsrechtsänderungsgesetz 2006, das Genossenschaftsrevisionsgesetz aus dem Jahr 1997 mitsamt der Genossenschaftsrevisoren- Prüfungsordnung aus dem Jahr 1998, der Genossenschaftskonkurrenzverordnung von 1918, das Genossenschaftsverschmelzungsgesetz aus 1980 sowie das Euro- Genossenschaftsbegleitgesetz aus dem Jahr 2000. Die Gründung einer europäischen Genossenschaft ist auf europäischer Ebene auf der Grundlage einer Europäischen-Gesellschafts-Verordnung seit dem 18. August 2006 möglich. Der österreichische Gesetzgeber hat hierfür als Ausführungsgesetz das Gesetz über das Statut der Europäischen Genossenschaft erlassen, das SCE- Gesetz.

Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft selbst ist eine Körperschaft mit Rechtspersönlichkeit und muss in das Firmenbuch eingetragen werden. Die gesetzlichen Regelungen hierfür sind weitgehend zwingend, und eine Einmanngesellschaft ist nicht zulässig, da dies dem Wesen der Genossenschaft, insbesondere dem Förderungszweck widersprechen würde. Da die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften eine juristische Person ist, benötigt sie Organe für das rechtsgeschäftliche Handeln. Zwingend unter den Organen sind der Vorstand und die Generalversammlung, Ein Aufsichtsrat ist in bestimmten Fällen aber erforderlich. Weiters sieht das Gesetz vor, dass der Vorstand und die Aufsichtsratsmitglieder aus dem Kreis der Genossenschafter bestellt werden müssen.

Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ist ein Unternehmer kraft Rechtsform. Wenn ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, so gelten bezüglich der Abschlussprüfung, der Offenlegung, der Veröffentlichung und der Zwangsstrafen die Regelungen des Unternehmensgesetzbuches. Dasselbe gilt, wenn die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft zwei Merkmale der Größenklassen überschreitet, welche für die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften maßgeblich sind. Für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die in Bezug auf die einzelnen einheitlichen Betriebe jeweils nicht mehr als Euro 400.00,- Umsatz in einem Geschäftsjahr erzielen, besteht keine unternehmensrechtliche Rechnungslegungspflicht. Dies wird auch die Schwellenwertgrenze genannt.

Das Wesentliche und Charakteristische an den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ist der Förderungsauftrag, nämlich die Förderung von Erwerb und Wirtschaft der Genossenschafter. Aus diesem Grund dürfen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vordergründig nicht auf Gewinnerzielung gerichtet ein. Das Mittel zur Förderung kann auch eine Beteiligung einer Genossenschaft an einer anderen juristischen Person des Unternehmensrechts, Genossenschaftsrechts und Vereinsrechts sein, oder auch an unternehmerisch tätigen Personengesellschaften, wenn diese Beteiligung der Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks nicht vordergründig zur Erzielung von Erträgen der Einlage dient. Mit diesem Grundsatz wird aber nicht ausgeschlossen, dass die Genossenschaft keine Gewinne erzielen kann, da das Gesetz vorsieht, dass der Genossenschaftsvertrag eine Regelung zur Gewinnverteilung enthalten muss. Hauptzweck genossenschaftlicher Tätigkeit darf das Erzielen von Erträgen aber nicht sein.

Der Gegenstand von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ergibt sich vordergründig aus dem Förderungsauftrag. Zur Verfolgung ideeller oder politischer Zwecke kann eine Genossenschaft daher nicht gegründet werden. Ebenfalls ausgeschlossen ist auch die Führung von Hypothekenbankgeschäften, Beteiligungsfondsgeschäften, Versicherungsgeschäften, Kapitalanlagegeschäften sowie die Führung von Pensionssparkassen oder Bausparkassen. Einer entsprechenden Bestimmung im Vertrag der Genossenschaft bedürftig aber zulässig ist die Ausdehnung des genossenschaftlichen Zweckgeschäftes auf Nichtmitglieder als auch die Beteiligung an anderen Gesellschaften. Nicht dem Genossenschaftsgesetz unterliegen die Genossenschaften des öffentlichen Rechts, wie etwa Wassergenossenschaften, da diese auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhen.

Die Mitglieder, also die Genossenschafter können prinzipiell natürliche als auch juristische Personen sowie Personengesellschaften sein. Die Anzahl der Mitglieder ist gesetzmäßig nicht beschränkt, die Mitgliedschaft kann aber im Gesellschaftsvertrag auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt sein, wie etwa auf natürliche Personen, auf Angehörige einer bestimmten Berufsgruppe, sowie räumliche und zeitliche Beschränkungen sind möglich. Die Aufnahmebedingungen sind im Gesellschaftsvertrag festzulegen und des weiteren welches Organ über die Aufnahme zu entscheiden hat. Seit dem Genossenschaftsrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2006 kann der Genossenschaftsvertrag auch die Aufnahme von Personen bewilligen, die für die Nutzung oder auch Produktion der Güter und für die Nutzung oder Erbringung der Dienste der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft nicht in Frage kommen. Man nennt diese die investierenden Genossenschafter oder die nichts nutzenden Genossenschafter. Durch die Veräußerung ihres Geschäftsanteiles und durch Austritt, also Kündigung mit Rückzahlung ihres Anteiles können die Mitglieder der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft ausscheiden.

Nach dem Genossenschaftsrechtsänderungsgesetz 2006 kann der Genossenschaftsvertrag einen Betrag bestimmen, den der Gesamtnennbetrag der Geschäftsanteile trotz Ausscheidens von Mitgliedern nicht überschreiten darf, wenn die Übertragung der Geschäftsanteile nicht völlig ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall kann der Anspruch von ausgeschiedenen Mitgliedern auf Rückzahlung ihrer Geschäftsanteile ganz oder teilweise verweigert werden.

Auch ist die Ausschließung eines Mitgliedes aus wichtigem Grund möglich, wenn dies in dem Genossenschaftsvertrag vorgesehen ist. Im Falle einer Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung endet eine Mitgliedschaft auch mit dem Tod eines Genossenschafters, wenn im Genossenschaftsvertrag nichts anderes bestimmt wurde. Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft hat kein festes Kapital, und jedes Mitglied muss zumindest einen Geschäftsanteil übernehmen. Der Nennbetrag der Geschäftsanteile ist im Genossenschaftsvertrag festzusetzen. Die Einbringung von Sacheinlagen kann nach heutiger Lehrmeinung nicht vereinbart werden.

Im Gesetz gibt es mehrere Typen der Genossenschaft. Bei Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung der Mitglieder haftet jeder Genossenschafter für die Genossenschaftsverbindlichkeiten unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen. Dieser Fall kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn bei der Liquidation oder im Konkurs der Genossenschaft das Genossenschaftsvermögen zur Deckung der Verbindlichkeiten nicht ausreicht. Dies heißt im Ergebnis, dass nur eine Deckungspflicht im Rahmen einer Liquidation der Genossenschaft besteht. Hierbei gibt es aber keinen direkten Anspruch der Gläubiger gegen den einzelnen Genossenschafter, sondern nur eine Nachschusspflicht nach den besonderen Bestimmungen der Genossenschaftskonkursverordnung. Auch ist bei Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung die Mitgliedschaft nicht vererblich.

Bei den Genossenschaften mit beschränkter Haftung besteht die Haftung nur bis zu einem im Voraus festgelegten Betrag. Dies bedeutet im Endergebnis ebenfalls eine Deckungspflicht wie bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Haftung der Mitglieder, jedoch nur mit seinen Geschäftsanteilen und einem weiteren Betrag in derselben Höhe. Der Genossenschaftsvertrag kann jedoch einen höheren Betrag festlegen, wie etwa den fünffachen, den zehnfachen oder zwanzigfachen Betrag der übernommen Geschäftsanteile. Konsumvereine, diese sind Genossenschaften zur gemeinschaftlichen Beschaffung von Lebensmittel und anderen Waren für den Haushalt Im Großen als auch deren Absatz im Kleinen, deren Tätigkeit auf die einzelnen Mitglieder beschränkt ist, sind Genossenschaften mit Geschäftsanteilshaftung, welche in der Praxis heute aber nur mehr selten vorkommen. In einem solchen Fall kann die Haftung des jeweiligen Genossenschafters auf den Geschäftsanteil beschränkt werden.

Aufgrund der Anpassung an die neuen Firmenbildungsvorschriften ist die einzige Verpflichtung für die Genossenschaft, dass die Firma die Bezeichnung eingetragene Genossenschaft enthält, was auch in abgekürzter Form, insbesondere mit e.Genossenschaft oder e.Gen. bestehen kann. Genossenschaften, welche bereits bestehen können allerdings die Bezeichnung registrierte Genossenschaft in ihrer Firma behalten, und auf die Angabe der Haftungsform wird deshalb verzichtet, da es in der Praxis heute fast ausschließlich nur noch Genossenschaften mit beschränkter Haftung gibt, und der Rechtsverkehr keine andere Haftungsform erwartet. Nicht unbeachtet dürfen jedoch die Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen, Bestellscheinen und Webseiten nach dem Unternehmensgesetzbuch bleiben. In Bezug auf die Größenklassen bei den Genossenschaften und die daran knüpfende Rechnungslegungspflicht gelten für die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften dieselben Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches wie für die Kapitalgesellschaften.

Durch einen unabhängigen und weisungsfreien Prüfer sind Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften mindestens in jedem zweiten Geschäftsjahr auf die Ordnungsmäßigkeit, die Rechtmäßigkeit, die Zweckmäßigkeit ihrer Einrichtung, der Rechnungslegung und der Geschäftsführung zu prüfen. Bei jenen Genossenschaften, die nach dem Unternehmensgesetzbuch schon als mittelgroße Gesellschaften gesehen werden ist die Prüfung jährlich durchzuführen. Die Rechtsgrundlage für diese Prüfung ist das Genossenschaftsrevisionsgesetz aus dem Jahr 1997. Nach diesem Gesetz ist insbesondere die Erfüllung des Förderauftrages, die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, der Stand und die Entwicklung der Vermögenslage, der Finanzlage als auch der Ertragslage zu prüfen.

Die Prüfer, auch genannt Revisoren, werden dann, wenn die Genossenschaft einem anerkannten Revisionsverband angehört, von diesem bestellt und ansonsten wird ein Revisor vom Firmenbuchgericht auf Antrag der Genossenschaft bestellt. Auch kontrolliert das Gericht, ob die Revision fristgerecht durchgeführt wurde. Der Prüfer hat weitgehende Informationsrechte als auch Einsichtsrechte, und bei der Feststellung von Mängeln hat dieser den Vorstand und den Aufsichtsrat unverzüglich davon zu berichten. Auch muss er dies tun, wenn er die Voraussetzungen von einem Reorganisationsbedarf feststellt. Das Ergebnis der Revisionstätigkeit ist dann der Revisionsbericht, welcher der Genossenschaft und allenfalls auch dem Revisionsverband, der den Bericht zu prüfen hat, zuzustellen ist.

Neben diesem ist eine Kurzfassung des Berichtes zur Mitgliederinformation für die Generalversammlung zu erstellen, und die Durchführung der Revision ist auch zum Firmenbuch anzumelden. Der Vorstand und der Aufsichtsrat haben dann den Bericht zu behandeln und der Generalversammlung vorzulegen. Danach sind, falls notwendig, geeignete Maßnahmen zur Behebung von den Mängeln, welche im Bericht aufgezeigt wurden, einzuleiten.

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