Die Ersitzung: eine besondere Eigentumserwerbsart?




Die Ersitzung ist gewissermaßen das Gegenstück zur Verjährung. Durch die Verjährung verliert jemand ein Recht. Durch die Ersitzung erlangt jemand ein Recht. Jeder, der auch sonst Rechte und Pflichten erwerben kann, kann durch die Ersitzung Rechte erwerben. Diesbezüglich gelten die allgemeinen Regeln. Wenn jemand ein Recht durch Ersitzung erlangt, verliert gleichzeitig jemand anderer sein Recht. Dies können alle Privatpersonen sein, die voll geschäftsfähig sind. Das heißt gegen Minderjährige und Personen, für die ein Sachwalter bestellt ist, findet die Ersitzung nicht statt. Alles, was sich erwerben lässt, kann auch ersessen werden. Jede Sache an der es möglich ist Eigentum zu erwerben, kann Gegenstand der Ersitzung sein. Sachen und Rechte, die unveräußerlich sind, können nicht ersessen werden. Das heißt, dass Rechte, die ausschließlich dem hoheitlich handelnden Staat zukommen von der Ersitzung ausgeschlossen sind. Eine Privatperson kann nicht das Recht erlangen Steuern einzuheben. Höchstpersönliche Rechte einer Person können nicht von anderen Personen erworben werden. Das Recht des Ehegatten ist nicht Gegenstand der Ersitzung. Ebenso ausgeschlossen sind Familienrechte, wie die der Kinder oder der Eltern.

Um die Rechtsfolgen der Ersitzung eintreten zu lassen, sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Neben der rechtlichen Eignung sowohl des Gegenstandes der Ersitzung, als auch der Personen, muss ein Besitz vorliegen. Der Besitz ist ein faktischer Rechtsbegriff. Nach der juristischen Definition besteht der Begriff aus zwei wesentlichen Elementen. Einerseits die faktische Innehabung. Andererseits der Wille, die Sache zu behalten. Die Innehabung ist dann gegeben, wenn die Sache in Gewahrsam einer Person ist. Die Sache muss nicht immer mitgeführt werden. Es ist ausreichend, wenn sie sich im Herrschaftsbereich der Person befindet. Das heißt auch Dinge, die sich in einer Wohnung befinden, sind im Gewahrsam der Person, die über die Wohnung verfügen kann. Der Besitz muss also faktisch gegeben sein. Dazu müssen noch drei Voraussetzungen erfüllt sein. Der Besitz muss rechtmäßig, redlich und echt sein. Rechtmäßigkeit bedeutet, dass ein Titel zur Übertragung von Eigentum vorliegt.

Mit dem Begriff Titel ist ein rechtlicher Grund gemeint. Der rechtliche Grund kann seinen Ursprung in einem Gesetz, in einem Vertrag, einem richterlichen Ausspruch oder einer letztwilligen Verfügung haben. Bestimmte Arten von Verträge sind von ihrer Natur her nicht für die Ersitzung geeignet. Das sind vorwiegend Verträge, die keinen Eigentumsübergang normieren. Das Gesetz nennt zum Beispiel geliehene Sachen. Ebenso ein Verwahrungsvertrag oder auch ein Pfandvertrag kann nicht die Grundlage einer Ersitzung sein. Zu beachten sind die oftmals sehr feinen Unterschiede zwischen den Vertragstypen. Ein Darlehensvertrag ist strikt von einem Leihvertrag zu unterscheiden. Bei einem Leihvertrag, wie z.B. Miete, ist die Sache von Anfang an nur geliehen und nur für einen begrenzten Zeitraum. Bei einem Darlehensvertrag geht das Darlehen in das Eigentum des Darlehensnehmers über. Der Darlehensgeber erhält einen Anspruch auf Zurückzahlung der Darlehenssumme. Ein Darlehensvertrag kann im Unterschied zum Leihvertrag die Grundlage für eine Ersitzung bilden.

Der Besitz muss redlich sein. Das bedeutet, dass der Besitzer aus den Umständen annehmen kann, dass die Sache rechtmäßig in seinen Besitz gelangt ist. Er darf es einerseits nicht wissen. Das würde die Redlichkeit ausschließen. Es darf aber auch ansonsten aus den Umständen nicht hervorgehen, dass die Sache rechtswidrig in die Gewahrsame des Besitzers gelangt ist. Der Besitz muss zudem echt sein. Die Echtheit ist dann gegeben, wenn die Sache nicht durch Gewalt, List oder heimlich übernommen wurde. Die Ersitzung erfolgt schlussendlich durch Ablauf der Ersitzungszeit. Die Dauer der Zeitspanne hängt von der Art der Sache ab. Bei beweglichen körperlichen Sachen beträgt die Ersitzungszeit drei Jahre. Bei unbeweglichen Sachen beträgt die Zeitspanne dreißig Jahre. Bei Rechten, die nur selten ausgeübt werden können, muss der Ersitzer beweisen, dass er die Rechte zumindest dreimal innerhalb der Ersitzungszeit von dreißig Jahren ausgeübt hat.

Bei der Ersitzungszeit kommt es auch noch darauf an, wem die Sache gehört, die der Ersitzung unterliegt. Ist der Eigentümer der Staat (Bund, Land oder Gemeinde) erfordert die Ersitzung beweglicher körperlicher Sachen sechs Jahre rechtmäßigen, redlichen und echten Besitz. Bei beweglichen Gegenständen, die im Eigentum von Kirchen und anerkannten Religionsgemeinschaften stehen beträgt die Ersitzungszeit ebenso sechs Jahre. Rechte an unbeweglichen Sachen, die im Eigentum des Staates oder von gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgemeinschaften stehen, können erst mit dem Ablauf von vierzig Jahren ersessen werden. Der Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen durch die Ersitzung ist nur möglich, wenn diese nicht schon im Grundbuch eingetragen sind und jemand anderem zustehen.

Die Vermerkung in den öffentlichen Büchern dient der Publizität und schließt die Redlichkeit automatisch aus. Die Einsichtnahme in die öffentlichen Bücher steht jedem, der ein rechtliches Interesse daran hat offen. In bestimmten Fällen ist man zur Einsichtnahme verpflichtet bzw. muss die negativen Folgen bei Unkenntnis des Inhalts tragen.

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