Was ist eine Angehörigenvertretung?




Wenn eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage ist Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens selbst zu besorgen, können diese Tätigkeiten von einem nahen Angehörigen ausgeübt werden. Dies gilt jedoch nur soweit kein Sachwalter oder sonstiger gesetzlicher oder sonstiger Vertreter bestellt ist. Diese Vertretungsbefugnis muss nicht von einem Gericht oder einer sonstigen Behörde erteilt werden, sondern entsteht schon aufgrund des Gesetzes wenn eine Person unter einer oben genannten geistigen Einschränkung leidet. Unter nächsten Angehörigen zu verstehen sind die Eltern, volljährige Kinder, der im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatte oder eingetragene Partner (bei gleichgeschlechtlichen Paaren) und der Lebensgefährte, wenn dieser mit der vertretenen Person seit mindestens drei Jahren im gemeinsamen Haushalt lebt. Bei mehreren vertretungsbefugten Angehörigen ist die Erklärung einer Person ausreichend.

Widersprechen sich diese Personen, so sind die Erklärungen unwirksam. In einem zivilgerichtlichen Verfahren ist jener Angehörige vertretungsbefugt der die erste Vertretungshandlung setzt. Unter den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens sind sog. Alltagsgeschäfte zu verstehen die der gewöhnlichen Haushaltsführung dienen, wie z.B.: Einkäufe von Lebensmitteln, Kleidung, die Einstellung einer Haushaltshilfe sowie weiters auch die Übernahme von Behandlungskosten. Wichtig ist hierbei, dass derartige Kosten das Monatseinkommen des Vertretenen nicht allzu sehr belasten. Finanziell aufwendigere Rechtsgeschäfte, wie ein Wohnungsumbau oder der Abschluss eines Kreditvertrages gehören nicht zu den sog. Alltagsgeschäften. Neben diesen Geschäften des Alltags darf der Angehörige auch Rechtsgeschäfte zur Deckung des Pflegebedarfs abschließen, also beispielsweise eine Hauskrankenhilfe einstellen. Weiters darf der Angehörige Ansprüche geltend machen die dem Vertretenen wegen seines Alters, einer Krankheit, Behinderung oder wegen Armut zustehen, hierzu zählen insbesondere sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (wie z.B.: Krankengeld, Arbeitslosengeld o.ä.), Ansprüche auf Pflegegeld und Sozialhilfe sowie Gebührenbefreiungen und andere Begünstigungen.

Die Vertretungsbefugnis des nächsten Angehörigen umfasst auch die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung, sofern diese nicht gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist und der vertretenen Person die erforderlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt. Sollten gravierende medizinische Eingriffe nötig sein, so muss ein Sachwalter bestellt werden. Um die Alltagsgeschäfte und die Kosten für den Pflegebedarf (nicht jedoch zur Geltendmachung sozialrechtlicher Ansprüche!) bestreiten zu können, ist der Angehörige befugt, über laufende Einkünfte der vertretenen Person und pflegebezogene Leistungen so weit als erforderlich zu verfügen. Den Angehörigen trifft eine Informationspflicht gegenüber dem Vertretenen, bevor er beginnt dessen Interessen wahrzunehmen. Anders als im Falle einer Besachwalterung oder dem Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht, kann der Vertretene jedoch Widerspruch gegen diese Vertretung erheben. Hierbei ist es ausreichend wenn der Betroffene auf irgendeine Art und Weise zu erkennen gibt, dass er von einem bzw. mehreren Angehörigen nicht vertreten werden will.

Beispiel: A leidet an Demenz und hat auch sein Sprachvermögen verloren. Sie wird von ihren zwei Töchtern X und Y als Angehörigenvertretern in Alltagsangelegenheiten betreut. Jedesmal wenn Y sich der A nähert fängt diese an zu toben und zu weinen. Gegenüber X verhält sie sich ruhig. Es kann somit angenommen werden, dass A nicht von Y vertreten werden will.

Auch hat der Angehörige seine Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZZV) registrieren zu lassen und zwar ebenfalls noch bevor er erste Vertretungshandlungen ausübt. Um sich registrieren lassen zu können muss der Angehörige sein Verwandtschaftsverhältnis zum Betroffenen nachweisen und durch ein ärztliches Attest dessen psychische Beeinträchtigung oder geistige Behinderung (die ihn an der Ausübung seiner Alltagsbesorgungen hindern) belegen. Für die Mühewaltung zugunsten seines Angehörigen kann der Vertreter zwar kein Entgelt (=keine Bezahlung für die erbrachte Leistung) verlangen, jedoch steht ihm ein Aufwandersatz (beispielsweise für getätigte Barauslagen) zu.

Durchsuchen Sie Rechtssartikel