Geltungsbereich und Grundsätze des Strafprozessrechts




Bezüglich Geltungsbereichs ist zwischen zeitlicher Geltungsbereich, räumlicher Geltungsbereich, sachlicher Geltungsbereich und persönlicher Geltungsbereich zu unterscheiden. Unter zeitlichem Geltungsbereich ist zu verstehen, dass im Strafprozess jenes Recht anzuwenden ist, welches im Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrensschritte gilt. Sollten sich jedoch prozessuale Vorschriften nach Tatbegehung ändern, kommt immer das neue Recht zur Anwendung, wenn Übergangsbestimmungen nichts Gegenteiliges anordnen. Wenn das Recht zum Tatzeitpunkt jedoch für den Beschuldigten günstiger ist, hat dieses fortzubestehen und ist anzuwenden. Der räumlicher Geltungsbereich regelt wo überhaupt zu bestrafen ist, also in Österreich oder im Ausland.

Ein Ausländer, der in Österreich verfolgt wird wegen einer Tat, die er im Ausland begangen hat, untersteht genauso wie ein Inländer, der eine Tat im Ausland begangen hat und in Österreich verfolgt wird, der österreichischen Strafverfolgung. Bei der Sanktion ist jedoch auch das ausländische Recht zu berücksichtigen, weil der Täter durch die Bestrafung in Österreich nicht ungünstiger gestellt werden darf als nach dem Gesetz des Tatortes. Beim sachlichen Geltungsbereich geht es darum, welches Gericht für die strafbare Handlung zuständig ist. Der persönliche Geltungsbereich besagt, dass die Strafgerichtsbarkeit sich auf alle Personen erstreckt, die sich im Inland aufhalten.

Bei den Grundsätzen des Strafprozesses ist das Offizialprinzip, das Anklageprinzip, das Prinzip der materiellen Wahrheitsfindung, das Prinzip der Mündlichkeit, das Prinzip der Öffentlichkeit und das Prinzip der Laienbeteiligung zu berücksichtigen. Das Offizialprinzip drückt aus, dass das Recht zu strafen nur dem Staat zukommt. Auch das Recht den Täter für die strafbare Handlung zu verfolgen, liegt in der Hand des Staates, da der Täter von Amts wegen verfolgt wird. Das Offizialprinzip bezweckt, dass das Opfer der Straftat bei Offizialdelikten eine einmal erstattete Anzeige nicht zurückziehen kann. Der durch die Straftat Verletzte kann nur durch Nichterstatten einer Anzeige verhindern, dass die Polizei bzw. der Staatsanwalt von der Straftat Kenntnis erlangt. Zu beachten ist, dass Privatanklagedelikte eine Ausnahme vom Offizialprinzip darstellen. Zu den Privatanklagedelikten gehören z.B. unter anderen die Ehrenbeleidigung oder die Verletzung des Briefgeheimnisses. Bei den Privatanklagedelikten liegt das Verfolgungsrecht allein beim Verletzten, der als Privatankläger auftreten muss, wenn er eine Bestrafung des Täters erreichen möchte. Privatanklagedelikte stellen deshalb eine Ausnahme vom Offizialprinzip dar, weil diese Delikte nicht das öffentliche Interesse berühren und daher ist es nicht die Aufgabe des Staatsanwaltes sie zu verfolgen.

Außerdem ist zu beachten, dass der Privatankläger für die Geltendmachung seines Verfolgungsrechtes eine Frist von sechs Wochen hat. Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem der Verletzte die strafbare Handlung und ein Verdächtiger bekannt geworden sind. Zu beachten sind auch Antragsdelikte, denn diese stellen wiederum nur eine Einschränkung des Offizialprinzips dar. Bei Antragsdelikte steht das Anklagerecht dem Staat zu. Somit kann bei Antragsdelikte der Staatsanwalt seine Verfolgungstätigkeit erst aufnehmen, wenn ein Antrag des Verletzten vorliegt, der sich auf eine konkrete Tat zu beziehen hat ohne dass der Täter schon zu diesem Zeitpunkt bekannt sein muss. Wichtig ist jedoch, dass ein bereits gestellter Antrag jederzeit bis zum Schluss der Hauptverhandlung in erster Instanz zurückgenommen werden kann. Im Unterschied zur Privatanklage ist der Antrag an keine Frist gebunden. Es muss unbedingt berücksichtigt werden, dass Privatanklagen wegen Jugendstraftaten immer unzulässig sind. Somit sind Privatanklagedelikte bei Jugendstraftaten nur von der Staatsanwaltschaft über Antrag des Verletzten zu verfolgen und werden so zu Antragsdelikten.

Auch Ermächtigungsdelikte stellen eine Einschränkung des Offizialprinzips dar. Ermächtigungsdelikte sind zwar vom Staatsanwalt zu verfolgen, dieser muss jedoch unverzüglich die Ermächtigung dazu einholen. Diese Ermächtigung ist sodann dem Gericht bis zum Beginn der Hauptverhandlung nachzuweisen. Ein Beispiel für Ermächtigungsdelikte wäre beispielsweise die Beleidigung des Bundespräsidenten, weil durch solch eine Beleidigung auch öffentliche Interessen berührt werden und ist somit vom Staatsanwalt zu verfolgen. Außerdem kann die bereits erteilte Ermächtigung bis zum Schluss der Hauptverhandlung zurückgenommen werden.

Das Anklageprinzip besagt, dass nur Taten gerichtlich verfolgt werden dürfen, die von einem berechtigten Ankläger, wie z.B. Staatsanwalt oder Privatankläger bei Privatanklagedelikten, angeklagt worden sind. Sollte jedoch ein berechtigter Ankläger fehlen oder sollte der berechtigte Ankläger von seiner Verfolgung zurücktreten, muss das Gericht sohin das Verfahren einstellen, wenn es sich noch nicht im Stadium der Hauptverhandlung befindet. Ist es jedoch bereits zu einer Hauptverhandlung gekommen, muss das Gericht den Beschuldigten mit Urteil freisprechen. Das Anklageprinzip führt dazu, dass das Gericht nur jenes Geschehen rechtlich beurteilen darf, das in Form eines Sachverhaltes angeklagt worden ist, wobei sich aus der Anklage die Tat und der Täter eindeutig ergeben müssen.

Unter Legalitätsprinzip wiederum ist zu verstehen, dass das Gericht verpflichtet ist Sachverhalte zu entscheiden, die als strafbare Handlung angeklagt wurden bzw. dass der Staatsanwalt verpflichtet ist, alle ihm zur Kenntnis gelangenden Delikte zu verfolgen. Das Prinzip der materiellen Wahrheitsfindung legt fest, dass das Gericht und die an der Strafverfolgung beteiligten Organe verpflichtet sind, mit allen rechtlichen zur Verfügung stehenden Mitteln die Wahrheit zu ermitteln. Deshalb muss das Gericht z.B. begründen, warum gerade ein Zeuge geglaubt wird und warum dem anderen Zeugen nicht geglaubt wird. Wenn jedoch trotz Würdigung der vorliegenden Beweise Zweifel bestehen bleiben, ist der Beschuldigte nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten, also in dubio pro reo, freizulassen bzw. es ist den für ihn günstigere Sachverhalt als erwiesen anzunehmen.

Das Prinzip der Mündlichkeit besagt, dass das Gericht sein Urteil nur auf das stützen darf, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Das Prinzip der Unmittelbarkeit hängt eng mit dem Mündlichkeitsprinzip zusammen, da die mündliche Aussage des Beschuldigten und der Zeugen unmittelbar vor dem entscheidenden Gericht stattfinden soll. Darunter ist zu verstehen, dass das Gericht nur das verwerten darf, was in der Hauptverhandlung als Beweismittel tatsächlich unmittelbar von diesem Gericht aufgenommen worden ist. Das Prinzip der Öffentlichkeit bestimmt, dass Verhandlungen in Zivilrechtssachen und Strafrechtssachen vor dem erkennenden Gericht mündlich und öffentlich zu führen sind, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

Aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung kann jedoch die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit gilt jedoch nur für die Verhandlung und nicht für die Verkündung des Urteils. Nach dem Prinzip der Laienbeteiligung hat auch das Volk an der Rechtsprechung mitzuwirken. Zu beachten ist, dass Laien entweder als Schöffen oder als Geschworene im Prozess auftreten.

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