Der Rechtsschutz in der Europäischen Union




Vertragsverletzungsklage

Nach dem Vertragsverletzungsverfahren kann die Kommission die Mitgliedsstaaten klagen, wenn sie gegen das EU Recht verstoßen. Da die Kommission als Hüterin der Verträge angesehen wird, ist dies ein Instrument um die Einhaltung des EU-Rechts zu garantieren. Die Vertragsverletzungsklage wird manchmal auch Aufsichtsklage genannt.
Das Verfahren läuft in drei Schritten ab: Zuerst schickt die Kommission eine Warnung, also einen blauen Brief, an den jeweiligen Mitgliedsstaat, der sich dazu äußern kann um die Frage der behaupteten Verletzung zu klären. Wenn der Mitgliedsstaat sich nicht dazu äußert, kann die Kommission eine Stellungnahme an den Mitgliedsstaat abgeben, in der sie entsprechende Maßnahmen vorschlägt, um die Vertragsverletzung aufzuheben. Wenn der Mitgliedsstaat der Stellungnahme binnen einer angegebenen Frist nicht Folge leistet, kann die Kommission eine Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen diesen einbringen.

Der Europäische Gerichtshof entscheidet, ob der Mitgliedsstaat gegen das geltende EU-Recht verstoßen hat. Bejaht er dies, hat der Mitgliedsstaat die Verpflichtung alle Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil ergeben. Kommt der Mitgliedsstaat dem nicht nach, kann der Europäische Gerichtshof auf Antrag der Kommission Zwangsgeld verhängen. Die Verurteilung zur Zahlung eines Geldbetrages wurde erstmalig gegen Griechenland im Jahr 2000 verhängt, weil diese ein Urteil des Gerichtshofes hinsichtlich Abfallbeseitigungspflichten und Aufstellung von Abfallbeseitigungsplänen nicht umgesetzt haben. Dabei wurden der Grad, die Dauer und die erforderliche Abschreckungswirkung des Verstoßes sowie die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes berücksichtigt.

Das Vertragsverletzungsverfahren kann aber nicht nur die Kommission einklagen, sondern es kann auch ein Mitgliedsstaat den anderen Mitgliedsstaat klagen. Bevor der Mitgliedsstaat aber klagt, muss er die Kommission damit befassen. Dies hat allerdings in der Praxis geringe Bedeutung.

Nichtigkeitsklage

Mit der Nichtigkeitsklage können Organe der Europäischen Union, Mitgliedsstaaten, natürliche und juristische Personen mittels der Klage feststellen, ob ein Rechtsakt der Europäischen Union, wie zum Beispiel eine Richtlinie, Verordnung oder Beschluss, rechtswidrig ist. Sie sind auf bestimmte Anfechtungsgründe beschränkt: Unzuständigkeit des handelnden Organs, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Norm und Ermessensmissbrauch.

Natürliche Personen müssen unmittelbar und individuell betroffen sein, um klagen zu können und die Frist für eine Klage ist innerhalb von zwei Monaten ab Kenntniserlangung, seiner Bekanntgabe an den Kläger oder der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Das heißt, sie müssen den Nachweis erbringen, dass sie der Rechtsakt ihre persönliche Situation beeinflusst und davon betroffen sind. Als typisches Beispiel ist hier eine Entscheidung an einen Mitgliedsstaat zu sehen, die eingestellt wird und die so Auswirkungen auf eine natürliche Person haben. Diese Person ist dann unmittelbar und individuell betroffen und kann vor dem Europäischen Gerichtshof auf Nichtigkeit der Bestimmung klagen. Der Gerichtshof kann den jeweiligen Rechtsakt ganz oder teilweise nichtig erklären und kann ihn auch ändern.

Untätigkeitsklage

Die Untätigkeitsklage zielt darauf ab, ob ein Organ der Europäischen Union es unterlassen hat einen Rechtsakt zu erlassen. Klageberechtigt sind die Mitgliedsstaaten, die Organe der Europäischen Union und unter bestimmten Voraussetzungen auch natürliche Personen. Zuerst muss das Organ aufgefordert werden binnen zwei Monate zu handeln und kann dann bei Verstreichen dieser Frist beim Europäischen Gerichtshof Untätigkeitsklage erheben. Diese Klage hat allerdings in der Praxis fast keinerlei Bedeutung.

Vorabentscheidungsverfahren

Ein nationales Gericht muss das europäische Recht ordnungsgemäß anwenden. Wenn während eines Gerichtsverfahrens Zweifel auftreten hinsichtlich der Anwendung des europäischen Rechts oder der Gültigkeit von Rechtsakten der europäischen Organe, kann, und unter bestimmten Umständen muss, das Gericht den Sachverhalt dem EuGH vorlegen. Das gegenständliche Verfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes unterbrochen. Gerichte, gegen dessen Entscheidungen keine Rechtsmittel mehr zulässig sind, dass heißt diese die in letzter Instanz entscheiden wie zum Beispiel der Verwaltungsgerichtshof oder der Oberste Gerichtshof, müssen dem EuGH ihre Auslegungsfrage vorlegen. Ansonsten können diese Gerichte ihre Fragen vorlegen, haben aber keine Pflicht dazu. Gegenstand zur Vorlage sind die Verträge der Europäischen Union und das Sekundärrecht. Es kann nicht entschieden werden, ob das nationale Recht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Darüber haben die nationalen Gerichte selbst zu entscheiden.

Wird die Vorlagepflicht von dem jeweiligen Gericht, das die Pflicht hat vorzulegen, missachtet, liegt eine Vertragsverletzung des Mitgliedsstaates vor. Die Vorabentscheidung hat eine bindende Wirkung für das betreffende Verfahren vor dem nationalen Gericht, das die Frage vorlegt. Des Weiteren bindet es alle anderen Gerichte, die in diesem Verfahren entscheiden, wie zum Beispiel die Rechtsmittelinstanz.

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